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Carina und Julia - y.lab

Carina und Julia von y.lab

Ihr Lieben, erzählt uns ein bisschen über euch, was führt euch beide zusammen?

Die gemeinsame Liebe zur Ästhetik. Es ist kein Zufall, dass wir uns während unserer Zeit im Marketing Team von L’Oréal kennengelernt haben. Wir haben beide einen ausgeprägten Sinn für Schönheit und Künstlerisches – das geht über das rein Sichtbare hinaus. Mit y.lab haben wir versucht, eine seelenvolle Umgebung zu schaffen. Jedes Stück in unserem Studio hat seine Geschichte. Vom Secondhand-Apothekerkasten, dem wir beim Einrichten den Schrankschlüssel abgeschlagen haben, über die Lampen, die wir an einem Spätsommer-Nachmittag in einem kleinen Interior-Laden nahe der Kettenbrückengasse geholt haben, bevor wir in der Chocolaterie nebenan Macarons geschlemmt haben. Oder unser Stahlrohrregal – eine Maßanfertigung vom österreichischen Team liebwut – aus dessen Planung eine wunderbare Freundschaft entstanden ist. Was wir schön finden, ist der Charakter, das Gefühl der Dinge hinter ihrer Fassade. Und so wurde aus unserer gemeinsamen Liebe zur Ästhetik eine gemeinsame Suche nach Tiefe und Authentizität – zwei Werte, die unsere Unternehmens- und Lebensphilosophie entscheidend prägen.

 

Carina und Julia - y.lab

Welche Vision verfolgt ihr mit eurem gemeinsamen Projekt y.lab?

y.lab ist ein Ort, der von einem Gemeinschaftsgefühl getragen ist. Mit Menschen in Verbindung treten, sich austauschen, gemeinsam etwas Neues kreieren. Das ist die Vision – und die schwingt auch in unserem Namen mit: Lab steht kurz für „Laboratories“, also Labor oder Versuchsraum. Der Begriff drückt Aktivität aus, Entwicklung – das Lab schafft eine Plattform für Prozesse, die sich im konstanten Wandel befinden. Mit y.lab öffnen wir einen Raum, in dem wir gemeinsam neue Formen der Zusammenarbeit, des Praktizierens und des Diskurses schaffen möchten, die für alle sinnvoll sind.

 

Wofür möchtet ihr euch mehr Zeit nehmen?

Es freut uns, dass wir ganz schön lange nachdenken müssen, bis uns eine Antwort auf diese Frage einfällt. Wir achten sehr bewusst darauf, uns immer wieder Freiräume herauszunehmen. Um als Yogalehrer*in den Raum für die Praktizierenden halten zu können, ist es wichtig, in der eigenen Kraft zu sein. Deshalb legen wir großen Wert darauf, Zeit für die Rituale und Menschen zu schaffen, von denen unsere Energie lebt. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Die Art, wie wir unterrichten und arbeiten, ist im ständigen Wandel und inspiriert durch Begegnungen, Bücher, Vorträge, Aus- und Weiterbildungen. Das Angebot, in der eigenen Praxis und in der, die man im Unterricht vermittelt, tiefer zu gehen, ist so viel reichhaltiger, als wir es in unserem Alltag unterbringen können. Hätten wir mehr Zeit, würden wir sie darin investieren.

 

Carina und Julia - y.lab

Wann habt ihr zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht?

Wir sind in der glücklichen Lage, oft Neues ausprobieren zu können und motivieren uns gegenseitig, immer wieder aus den Grenzen unserer Komfortzone herauszutreten. In den letzten Wochen haben wir uns viel mit Selbsterfahrung im psychologisch-spirituellen Bereich beschäftigt – sowohl im Einzel-Setting als auch in der Gruppe. Da waren einige Firsts dabei. Ansonsten versuchen wir auch im Kleinen, uns immer wieder aus festgefahrenen Routinen herauszuholen: Die Beine im Schneidersitz einmal anders überkreuzen, als man es immer macht. Zum ersten Mal ein Dattelbrot backen. Oder eine Hotelübernachtung in der eigenen Stadt buchen.

 

Carina und Julia - y.lab

Wer oder was inspiriert euch?

Menschen, wie ihr. Mit y.lab haben wir die Freude, mit vielen Leuten zusammenarbeiten zu dürfen, die ihrer Passion folgen; die sich aus oft sehr sicheren Strukturen herausgelöst haben, für die Freiheit, ihre Ideen zu realisieren; die authentisch dafür einstehen, worin sie ihre Lebensenergie investieren. Begegnungen mit Menschen wie euch bestärken auch uns immer wieder darin, dass wir aus unseren Visionen heraus Neues schaffen können, das nicht nur uns zugute kommt, sondern auch anderen. Besonders geprägt haben uns unsere spirituellen Lehrer*innen – allen voran Alexia und Nives, bei denen wir unsere Yogalehrerinnen-Ausbildung gemacht haben, Eva Kaczor, bei der wir ein Psychedelic Breath Teacher Training machen und Punnu Wasu, mit dessen Meditationstraining wir unsere Praxis auf ein neues Niveau gehoben haben.

 

Konkurrenz vs. Support unter Frauen – welche Erfahrungen durftet ihr machen?

Missgunst unter Frauen ist durchaus kein Thema, das uns fremd ist. Ein passiv-aggressiver Unterton, ein abwertender Blick, das Unvermögen, der anderen den Job zu gönnen, den man selbst gern hätte, die Figur oder den/die Partner*in. Unsere Erfahrung ist, dass sich manche Frauen dem Einzelkämpfertum verschreiben, das sie mit Emanzipation verwechseln, und allein gegen den Rest der Welt antreten – oder auch nur gegen den Rest der Frauen. Damit macht man es sich schwerer, als es sein muss. Aber das Konkurrenzdenken ist im Frauen-Kollektiv tief verwurzelt. Unsere eigenen Erinnerungen reichen bis in die frühen Kinderjahre zurück, wo die Grausamkeit von Mädels-Cliquen kaum zu toppen ist. Oft setzt sich das bis ins Berufsleben fort. Gleichzeitig haben wir aber vor allem in letzter Zeit im Zuge unserer Selbstständigkeit eine neue Wertschätzung unter Frauen erlebt. Kolleginnen haben applaudiert, statt gelästert. Auch während unserer Yogalehrerinnen-Ausbildung haben wir in einem starken Kreis von Frauen praktizieren dürfen, die sich untereinander auf ehrliche, wohlwollende Weise begegnet sind. Dort haben wir die Gemeinschaft unter Frauen auch als geschützten Erfahrungsraum erlebt, um die Verbindung zu uns selbst und unserer essentiellen weiblichen Energie wiederherzustellen und zu stärken. Ein Verbundenheitsgefühl, das wir im y.lab ganz bewusst kultivieren und mit anderen Frauen teilen.

 

Carina und Julia - y.lab

Was bedeutet Weiblichkeit für euch?

Femininität steht in unseren Augen für Kreativität, Fülle, Genuss, Leichtigkeit, sinnliches Bewusstsein und Feingefühl. Diese Qualitäten sind allerdings nicht nur Frauen vorenthalten. Die yogische Philosophie geht davon aus, dass jeder Mensch feminine und maskuline Energien in sich trägt. In unserer Gesellschaft hat die Maskulinität Überhand genommen. Wir denken, die Herausforderung unserer Zeit liegt darin, uns wieder mit unserer Weiblichkeit zu verbinden und sie zu zelebrieren, statt zu unterdrücken. Aber auch über die Polarität von Femininität und Maskulinität hinaus ist das Zusammenführen von scheinbaren Gegensätzen eines der zentralen Themen, mit denen wir uns als Gründerinnen auseinandersetzen: Freiheit und Bindung, Spaß und Verantwortung, Convenience und Sinn, Chillen und Zeitstress. Dafür steht unter anderem auch das Ypsilon in y.lab. Es symbolisiert mit seinen beiden Achsen die Dualitäten, die in eine Linie überlaufen und sich damit in Einheit auflösen.

 

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Was bedeutet es für euch, eine „starke Frau“ zu sein?

Stark sein heißt für uns, einander mit radikaler Verletzlichkeit begegnen zu können. Auch das betrifft nicht nur Frauen. Es ist der Mut, als erstes „Ich liebe dich“ zu sagen. Der Mut, eine Gehaltserhöhung zu fordern. Oder sich selbstständig zu machen. Es ist der Mut, etwas zu wagen, für das es keine Garantien gibt. Verletzlichkeit ist der Boden, auf dem Angst und Scham wachsen – aber auch Freude, Kreativität, Mitgefühl und Liebe. Sie ist das Erste, das wir in anderen suchen, und das Letzte, das wir anderen zeigen möchten. Wir müssen lernen, die Rüstung abzulegen und zu zeigen, wer wir wirklich sind, um echte, tiefe Beziehungen erfahren zu können. Zu uns selbst und anderen. Verletzlichkeit zuzulassen bedeutet, sich näher zu kommen, den eigenen Gedanken und Gefühlen Raum geben. Dafür braucht es Mut zur Konfrontation. Unsere Erfahrung ist, dass die Yogamatte ein guter Ort ist, um damit zu starten.

 

Was war das schönste Kompliment, das ihr jemals bekommen habt?

Zwei Freundinnen, die bei uns Yoga machen, haben uns vor einigen Wochen von ihrem Heimweg nach einer Klasse erzählt. Sie sind die Strecke zur U-Bahn gemeinsam in Stille gelaufen. Mit einem Gefühl der Zufriedenheit und Verbundenheit, für das es keine Worte gebraucht hat. Diese Geschichte berührt uns. Wir wissen, wie schwierig es sein kann, sich in die Stille hinein zu entspannen. Das wirken zu lassen, was ist, ohne es mit Chit-Chat zu übertönen. Es ist schön zu wissen, dass wir die Menschen, die mit uns praktizieren, in so ein Gefühl führen können.

 

Carina und Julia - y.lab

Wenn ihr eine Sache auf der Welt verändern könntet: Was wäre das?

Etwas, das unsere Welt auf eine Art und Weise verändert hat, wie wir es auch anderen wünschen, ist mehr Bewusstheit zu üben. Bewusstheit im Denken, Sprechen und Tun. Das fängt bei den kleinen Dingen an, zum Beispiel beim bewussten Wahrnehmen des eigenen Atems, und geht bis zum Beobachten von Gedanken- und Beziehungsmustern. Es mag nicht immer bequem sein, die eigenen Blind Spots aufzudecken, aber es verleiht dem Charakter Tiefe – und den Beziehungen auch. Denn wir sind überzeugt davon, dass sich die Reflexion, die man im Innen praktiziert, auch nach außen übersetzt. Ein wenig mehr Bewusstheit im Umgang mit sich selbst führt unweigerlich zu einem bewussteren Umgang mit anderen und der Umwelt. Auf der Yogamatte setzen wir beim Körperbewusstsein an. Das ist ein guter erster Schritt in eine neue Welt.

 

Vielen, vielen Dank!

y.lab.com

instagram.com/y.lab

 

Fotos: Maximilian Salzer