
Julia Wunderlich – Ayurveda Praktikerin & Feminine Empowerment Coach
Liebe Julia, erzähl uns ein bisschen über dich. Was machst du beruflich?
Ich halte den Raum für Frauen, die den Wunsch haben, gesünder zu leben/zu sein und die auf dem Weg zu mehr Wohlgefühl und Balance in diesem Raum tiefes Selbst-Empowerment erfahren. Ob in Ayurveda-Beratungen, Coachings, Kochkursen und in verschiedenen Frauenkreisen und in meiner Heilarbeit – dies ist die große Gemeinsamkeit: ich kreiere einen Raum für Selbst-Erfahrung, Selbst-Erkenntnis und für liebevolle Selbst-Sorge. Das ist mein Calling, das lebe ich jeden Tag.
Wie sieht dein persönlicher Weg aus und wie bist du dorthin gekommen wo du jetzt gerade stehst?
Wie so oft im Leben, bewegen wir uns erst wirklich, wenn Schmerz da ist. Ich meine nicht das zwanghafte Bewegen durch „Optimierungsdrang“, sondern diese Bewegung, die aus der Tiefe heraus, aus tiefster Dunkelheit heraus entsteht. Ich bin zur Ayurveda und zu meiner Frauenarbeit durch eine Erkrankung und durch Endometriose gekommen. Der Umgang mit beiden Heilkunden war von Anfang an für mich so natürlich, dass ich es nicht für mich behalten, sondern vielmehr teilen wollte. In die Welt hinaus und andere Frauen inspirieren, diese beiden Schätze unbedingt in ihr Leben zu integrieren.
Wie vereinbarst du dein Unternehmen mit deinem Privatleben/mit deiner Familie?
Das war ein sehr, sehr langer Lernprozess für mich. Zu Beginn meiner Frauenarbeit hatte ich bis zu 40 Anmeldungen pro Workshop und ich habe mich selbst so sehr unter Druck gesetzt, immer weiter und immer mehr anzubieten. Dies hat mich überfordert, denn ich wollte gleichzeitig die perfekte Mutter sein, mit viel Zeit und Geduld. Auf diese Zerrissenheit folgte eine Phase, in der ich sehr erschöpft war.
Also musste ich lernen, mit meinen Energien „nachhaltiger“ umzugehen. Heute trage ich Pausenzeiten für mich und Zeiten mit meinem Sohn in einen Kalender ein, um meinen eigenen Überschwang und meine vielen Ideen in Bahnen zu lenken. Ausserdem frage ich mich jetzt vor jedem Event, dass ich plane: warum ich genau das machen möchte. Das hilft mir dabei, meine Intention zu klären und gleichzeitig Erdung in mein Planen einzuladen.
Mein oberstes Commitment ist inzwischen, nicht mehr auf Adrenalin zu arbeiten. Das klappt natürlich nicht immer, aber so oft, dass ich eine ganz neue Art zu Arbeiten für mich entwickeln konnte. Seitdem bin ich um vieles gelassener – ja, auch eine enspanntere Mutter! – lasse Vertrauen fließen, auch meine Arbeit hat dadurch eine andere Tiefe bekommen.
Was bedeutet Weiblichkeit für dich?
Weiblichkeit ist für mich zyklisches Leben, die Zyklen zu achten, ihre Weisheit zu erkennen und nach ihnen zu leben. Weiblichkeit ist für mich, in der eigenen Autorität verwurzelt zu sein, im Wombspace verankert zu sein, egal, was für Organe, welche Geschlechtsteile dort verortet sind.
Was bedeutet es für dich eine starke Frau zu sein?
Eine starke Frau ist für mich ein Mensch, der bei sich bleiben kann. Mit den Erfahrungen, Gefühlen, Begebenheiten, die in unserem Leben als Menschen passieren. Sie übernimmt Verantwortung für sich und für (die Folgen) ihre(r) Muster oder Handlungen. Gleichzeitig weiß sie darum, dass ihre Erfahrung im Jetzt nicht alles ist, dass darunter die Erfahrung von ewigem SEIN schlummert. Stark ist für mich auch, nach Unterstützung zu fragen, wenn sie gebraucht wird, sowie mit den eigenen Ressourcen respektvoll und achtsam umzugehen und diese – in Form von Grenzen – auch zu schützen.
Worin besteht dein Sinn des Lebens? Hast du eine Vision in dieser Welt?
Der Sinn des Lebens besteht für mich darin, tiefe Liebe und Verbundenheit zu erfahren und zu teilen. Ich glaube, es ist besonders wichtig, unseren eigenen Sinn, unsere eigene, individuelle Aufgabe zu erkennen und gleichzeitig in ganz direktem Kontakt mit unseren Bedürfnissen zu sein. So können wir unser Leben und Sein mit der Intention von Liebe und Leichtigkeit gestalten.
Was war für dich bis jetzt die größte Herausforderung in deinem Leben?
Wow. So viele. Der Tod meines besten Freundes mit 17 Jahren, eine schwere Erkrankung in den vergangenen Jahren – und die Trennung von meinem Partner samt Auszug aus unserer Familienwohnung zu Beginn dieses Jahres.
Was hilft dir dich immer wieder zu motivieren? Hast du besondere Rituale?
Tanzen, Bewegung, Licht, Natur, Lust, Verkleiden, nackt in einen See springen, das Leben an sich.
Wie findest du zu dir selbst, zu deiner Mitte?
Ich habe mein eigenes Morgen-Programm, das aus einer Melange von dynamischen Übungen von Osho, Eurythmie, Womb-Awakening, Yoga und Ballett besteht. Wenn mein Körper ganz wach ist, kann ich mich gut in ihm verankern und mich tagsüber leichter zu mir zurück holen. Wenn ich dann noch Zeit habe, mache ich eine Kundalini-Tantra-Meditation im Anschluss.
Gerade zu dieser Jahreszeit zelebriere ich kuschelige Momente mit meinem Sohn, nährende Kreise mit Frauen, Roh-Cacao und tolle Literatur. Erdende Ayurveda-Küche nicht zu vergessen!
Wofür bist du dankbar?
Für alles. Für meinen größten Schmerz, für mein größtes Licht. Dafür, dass ich Mutter meines wundervollen Sohns sein darf. Dafür, dass ich meine Arbeit so machen kann, wie ich sie mache. Und für jede Erfahrung in meinem Leben hat dies genauso möglich gemacht.
3 Erkenntnisse, welche du vielleicht mit uns teilen magst?
Jede Form von Unterdrückung unseres Selbst, jedes Wegschieben von uns in unserer Erfahrung, jede Art von Herunterschlucken unserer Bedürfnisse, sind Akte der Aggression gegen uns selbst. Ich habe diese Erfahrung ganz körperlich in einer Meditation gemacht. Sie war einer meiner größten Augenöffner. Jedes Mal, wenn wir gegen uns handeln, senden wir Aggression gegen unser System – dies führt zu diversen Erkrankungen, menstruellen Problemen, Schilddrüsenproblemen, Endometriose, Burn-Out und zu chronischem Leiden. Dies dürfen wir nicht nur intellektuell verstehen, sondern wirklich körperlich. Jedes Mal, wenn wir Ja statt Nein sagen, wenn wir im Affekt nach Essen greifen oder online das x-te Paar Schuhe bestellen, dann verlassen wir uns. Bei uns bleiben zu können ist ein schmerzhafter Lernprozess und gleichzeitig das schönste Geschenk, das wir uns geben können. Mit der Zeit kommen wir mehr und mehr nach Hause – und lernen so, liebevoll für uns zu handeln.
Wir dürfen andere Menschen enttäuschen. Wir können es nicht allen rechtmachen. Wir dürfen schauen, was für uns gut ist und danach handeln. Dies macht uns nicht zu egoistischen Menschen, sondern zu gesunden. Pema Chödrön nennt falsche Zurücknahme „Idiot-Compassion“, denn wie können wir aufrichtig geben und lieben, wenn wir nicht gut für uns selbst sorgen können?
Durch all die Anforderungen, denen wir im Alltag begegnen, die in unseren Familien – trotz „Gleichstellung“, leben wir oft die Wahrheit anderer. Wir leben nach den Bildern, wie andere uns haben oder sehen möchten. Sophia ist die Weisheit, unsere innere Wahrheit, die in allem ruht. Wir erkennen sie, wenn wir uns Ruhe und Zeit nehmen, um sie zu erfahren. Erfahrene Weisheit lässt uns mutig voranschreiten. Erfahrene Weisheit macht möglich, dass wir unseren Platz einnehmen und von diesem aus für uns selbst, für unsere Lieben und für diese wunderschöne Erde klar und achtsam handeln.
Wer oder was inspiriert dich?
Ich bin inspiriert durch meine eigene Geschichte, meine traumatische Kindheit. Ich bin inspiriert durch all die Frauen, die zu mir kommen und den Mut haben, ihr Leben zu verändern. Ich bin inspiriert durch die Frauen, die meine Freundinnen sind und mit denen ich zusammen erfahren und zusammen arbeiten darf. Ich finde meine Inspiration in der Ayurveda, in einem Blick aus dem Fenster, bei einem Spaziergang oder in der Aufrichtung beim Ballett. Ich lerne durch all dies. Meine tiefe Dankbarkeit gilt Chameli Ardagh, Pema Chödrön, Tara Brach und dem Leben.
Danke, Danke liebe Julia!
Fotos: Grit Siwonia und Julia Wunderlich