
Annette Söhnlein – Yoga und Meditationslehrerin
Liebe Annette , stell’ dich unseren Leserinnen doch einmal kurz vor. Wer bist du und was machst du?
Ich lebe und unterrichte leidenschaftlich gerne Anusara Yoga und Meditation in Berlin, wo ich mit meinen beiden Kindern lebe. Ich bin Teil von The Lovers, einer Agentur mit angeschlossenem gemeinnützigen Verein, die sich für eine bewusstere Gesellschaft in Balance engagiert. Wir veranstalten Abende wie den „Salon mondaine for female empowerment“ und „Lead with Love – Yoga und Coaching Retreats“. Außerdem unterrichte ich im Team von Citizen2be traumainformiertes Yoga für geflüchtete Frauen. Ich bin tief überzeugt von den Selbstheilungskräften, die wir durch Yoga aktivieren können. Deswegen tauche ich gerade tiefer ins Ayurveda ein. Ich bin Tantrikerin und liebe die nondualistische Philosophie und wie sie mich im Leben leitet. Mich fasziniert die Verbindung von altem Wissen und wie ich sie zeitgemäß leben und vermitteln kann.
Wie bringst du Job und Privatleben unter einen Hut?
Eigentlich kann ich die beiden Bereiche gar nicht voneinander trennen. Mit der Entscheidung, Vollzeit-Yogalehrerin zu sein habe ich das, was mir privat immer wichtiger wurde als das etabliert, womit ich mein Leben finanziere.
Tatsächlich gibt es aber ein paar Stolpersteine, die mich manchmal aus dem Gleichgewicht bringen. Sobald ich mehrere Wochenenden hintereinander außerhalb Berlins unterrichte, beschweren sich meine Kinder und das schlechte Gewissen klopft laut an. Obwohl sie schon recht groß sind und gar nicht mehr viel mit mir unternehmen wollen, merke ich, dass meine Abwesenheit nicht gut ist für ihre innere Stabilität. Es fehlt einfach ein warmes Essen nach der Schule oder eine Umarmung zwischendrinnen.
Zudem bin ich sehr sensibel geworden was das Ausgehen betrifft: Schlafmangel und ein Glas Wein lassen mich ungeerdet und unkonzentriert sein am nächsten Tag, deswegen bin die, die sich heimlich von Parties wegschleicht. Aber das gute Gefühl am nächsten Tag wiegt mehr. Und noch habe ich einen großen Freundeskreis, der mir mit Verständnis begegnet. Ich hoffe, das bleibt so!
Was bedeutet Weiblichkeit für dich?
Aktive Hingabe an meine Kraft, Sanftmut, um meine Berufung und Leidenschaft zu leben. Die Verbindung zur Erde als Mutter allen Lebens. Schwesternschaft und Schwesternkraft. Austausch. Wärme.
Wie lebst du dein Frau-Sein?
Nachdem ich als Kind immer kurze Haare hatte und die Klamotten meines älteren Bruders aufgetragen habe, war mir Frau-Sein erstmal fremd. Mein früherer Freundeskreis war eher jungslastig und ich belächelte innerlich Frauenrunden. Ich erinnere noch eine Dinner-Einladung meiner Freundin Stephanie Bothor, einer großartigen Berliner Künstlerin: sie hat 20 Frauen zusammengebracht, die sie besonders inspiriert haben. Ich fand den Gedanken entsetzlich, nur Frauen, ein ganzer Abend lang. Dort habe ich dann das erste Mal die besondere Kraft gespürt, die im Frau-Sein liegt. Wir waren alle sehr unterschiedlich und jede Frau auf ihre Art einzigartig und schön. Der Austausch untereinander basierte auf Offenheit und Anerkennung jeder Einzelnen, es gab null Konkurrenz, nur Unterstützung. Und dabei hat jede Frau in der anderen ihr eigenes Strahlen, ihre weibliche Kraft gespiegelt. Der Abend war zauberhaft und hat mir die Tür zu meinem Frau-Sein geöffnet: lauter kluge, sexy, wilde, schöne Frauen, die aus ihrer innersten Kraft schöpfen und zugleich zart und verletzlich sind.
Worin besteht dein Sinn des Lebens? Hast du eine Vision in dieser Welt?
Meine Vision lautet: Alle sollen Zugang zu Yoga und Meditation haben! Wenn wir es als Gemeinschaft schaffen mehr Mitgefühl und Miteinander zu entwickeln, Qualitäten, die das Yoga mit sich bringt, dann schaffen wir es die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
Was war für dich bis jetzt die größte Herausforderung in deinem Leben?
Ich habe einige Jahre in einer toxischen Beziehung mit dem Vater meiner Kinder gelebt. Diese Zeit hat mich in tiefer Angst und Unsicherheit gehalten und klein gemacht. Ich hatte Selbstzweifel und wenig Lebensmut. Dazu kam das Gefühl, als Mutter komplett zu versagen. Es hat tatsächlich Jahre gedauert, mich aus den Fängen dieser Ängste herauszuarbeiten. Ohne treue Freunde und die Kraft, die mir Yoga gab, wäre ich vermutlich immer noch an einem ziemlich düsteren Ort. Es war vor allem ein Satz meines Lehrers Todd Tesen, der mich erinnerte, dass ich es wert bin, geliebt zu werden und das Leben in seiner Fülle genießen darf. Niemand darf Dich kleinmachen, um sich besser zu fühlen.
Wie sieht dein Alltag aus? Hast du Rituale, die du uns verrätst?
Ich liebe Rituale! Zur täglichen Körperpflege gehören nach dem Aufstehen Ölziehen, Zungenschaben und jede Menge warmes Wasser trinken, später und über den Tag verteilt wärmende Mahlzeiten. Morgens, wenn die Kinder aus dem Haus sind, räuchere ich und setz mich zur Meditation, es folgt irgendwann eine mindestens 30-minütige Asanapraxis. Und einmal täglich geht´s ab in die Natur, das ist selbst in der Mitte von Berlin mit seinen vielen Parks möglich. All das dient einerseits der Selbstpflege, andererseits hilft es mir meinen Unterricht authentisch und lebendig zu halten.
Welche Tools helfen dir, zurück in deine Mitte zu finden?
Atemübungen, vor allem Nadi Shodana, die Wechselatmung. Meditation. Kochen und backen erdet mich nach langen Workshop- oder Ausbildungswochenenden. Und immer wieder die Verbindungen mit der Natur, ich gehe einmal wöchentlich in den Wald und an einen See.
Wofür bist du heute dankbar?
Für das Leben, so wie ich es führe. Für all die großartigen Begegnungen, die ich durchs Yoga erleben darf. Und für meine Kinder: sie sind gesund, ziemlich clever, versorgen mich mit guter Musik und wir haben viel Spaß miteinander.
Was bringt dein Herz zum Lachen?
Da braucht´s nicht viel, ich lache gerne und viel. Oft sagt man mir, dass man bevor man mich sieht schon am Lachen erkannt hat. Einfach, weil es das ist, was ich noch lieber mache als reden.
Wo findest du Inspiration?
In Büchern, in der Kunst und im Austausch mit anderen. In der Natur. Eigentlich immer dann, wenn ich mich zu 100% auf eine Situation einlasse.
Was würdest du aus heutiger Sicht deinem 15-jährigen Selbst raten?
Du bist richtig, so wie Du bist! Vergiss Deine Unsicherheiten und geh selbstbewusst deinen Wünschen nach!
Wir danken dir liebe Annette!
instagram.com/annettesoehnlein