
Greta Scheichenost – Sonder- und Heilpädagogin
Liebe Greta, stell’ dich unseren Leserinnen doch einmal kurz vor. Wer bist du und was machst du?
Mein Name ist Greta. Ich werde dieses Jahr 30 und aktuell bin ich für einige Monate auf Reisen. Im „echten Leben“ wohne ich in Wien und arbeite dort als Sonder- und Heilpädagogin. Ich liebe Hunde genauso sehr wie Kaffee und Spaziergänge im Wald.
Neben meiner Arbeit als Lehrerin bin ich im Bereich disability awareness aktiv und habe das Social Media Projekt #undduso gestartet. Ich portraitiere hier die verschiedensten Menschen mit Behinderungen und lasse sie auf meinem Account ihre individuellen Geschichten erzählen.
Mein Ziel ist es so Begegungspunkte von Menschen mit und ohne Behinderungen zu schaffen und Barrieren in den Köpfen abzubauen. Das Projekt habe ich gestartet, weil ich eine große Chance in der menschlichen Vielfalt unserer Gesellschaft sehe. Diese gilt es zu feiern und so uns allen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen.
Wie bringst du Job und Privatleben unter einen Hut?
Grundsätzlich bringe ich Job und Privatleben sehr gut unter einen Hut. Muss aber gestehen, dass sich das eine und das andere häufig überschneiden und es mir schwer fällt beides strikt zu trennen. Zum einen, weil die Arbeit im sozialen Bereich mitunter sehr aufwühlend und vereinnehmend sein kann und zum anderen, weil ich #undduso in meiner Freizeit betreibe.
Die Erlebnisse und Geschichten aus dem Arbeitsalltag beschäftigen mich natürlich auch, wenn ich die Schule verlasse oder ein #undduso-Portrait online ist. Über die Jahre habe ich nicht gelernt die Dinge nicht mehr an mich heran zu lassen, sondern Ventile gefunden, um sie zu verarbeiten. Bei mir bedeutet das, dass ich darüber spreche, mich austausche, mir Rat hole oder es mir von der Seele schreibe.
Was bedeutet Weiblichkeit für dich?
Weiblichkeit bedeutet unglaublich viel für mich. Vorallem aber bedeutet sie Vielfalt. Ich habe das Glück umgeben zu sein von tollen Frauen, die mich in so vielerlei Hinsicht inspirieren, unterstützen und mir gut tun. Angefangen bei meiner Mutter, meinen Freundinnen und Schwestern oder auch den Frauen, die ich im Zuge von #undduso kennenlerne. Sie alle haben mir gezeigt und zeigen mir immer wieder aufs Neue, dass es nicht bestimmte Kritierien sind, die Weiblichkeit definieren, sondern sehr viel mehr.
Fest steht, dass mich die Frauen in meinem Umfeld besonders durch ihr Feingefühl, Verständnis und ihre Empathie geprägt haben. Ich genieße es nicht in Konkurrenz mit anderen Frauen zu stehen, sondern so viel bedingungslosen Support zu erfahren und diesen auf meine Art und Weise zurück zugeben.
Weiblichkeit heißt in meinem Umfeld allem voran auch Respekt. Es ist der respektvolle Umgang miteinander, aber auch mit sich selbst.
Wie lebst du dein Frau-Sein?
Ich lebe mein Frau-sein natürlich tagtäglich. Ich lebe es, wenn ich viel zu oft nicht an meine eigenen Qualitäten glaube oder mich selbst kleiner mache als ich es bin. Ich muss es leben, in dem ich als Frau in unserer Gesellschaft in gewissen Bereichen noch immer nicht gleichberechtigt bin. Ich lebe es, indem ich meinen Körper viel zu kritisch betrachte, wenn ich vor dem Spiegel stehe. Ich lebe mein Dasein als Frau auch, wenn ich während der Periode plötzlich zu weinen beginne und nicht weiß warum. Ich lebe es, wenn ich Laufen gehe und mir, wie jede andere Frau auch, viel zu oft die respektlosen Bemerkungen von Männern anhören muss.
Aber – und das ist der Punkt – ich lebe es auch indem ich Herausforderungen, heute viel öfter als früher, mit Selbstvertrauen und erhobener Brust annehme. In dem ich für meine und die Rechte anderer Frauen einstehe. In dem ich mich selbst schön finde, anstatt mich mit anderen zu vergleichen und meinen Körper dafür feiere, dass er mich so stark durchs Leben bringt. Frau sein leben heißt für mich heute auch, „catcallende“ Männer zurecht zu weisen, anstatt sie zu ignorieren. Ich lebe es indem ich mich selbst akzeptiere, mit all meinen Schwächen und Stärken und weiß, dass ich genüge.
Frau-sein ist für mich ein Prozess. Der Prozess, des Ankommens bei mir selbst.
Worin besteht dein Sinn des Lebens? Hast du eine Vision in dieser Welt?
Natürlich habe ich gewisse Visionen, was ich durch meine Arbeit erreichen möchte. Ich wünsche mir grundsätzlich von Herzen etwas dazu beitragen zu können, dass mehr Empathie und Gerechtigkeitssinn und weniger Neid und Egoismus gelebt wird. Die Möglichkeiten mögen vielleicht begrenzt sein, aber ich gebe mein bestes. Eine Bekannte hat mir einmal den Satz „If you can´t make the world a better place – try not to make it worse“ mitgegeben. Und der ist hängengeblieben.
Mein persönlicher Sinn im Leben liegt sicher darin möglichst viel Zeit mit den Menschen zu verbringen, die ich liebe und Dinge zu machen, die mir gut tun. Ich möchte Erinnerungen zu sammeln und das tolle Leben, das mir geschenkt wurde genießen. Meistens gelingt mir das ganz gut.
Wie sieht dein Alltag aus? Hast du Rituale, die du uns verrätst?
Mein Alltag ist durch meinen Job in der Schule und all die anderen Aufgaben strukturiert und chaotisch zu gleich. Phasenweise sehr intensiv und fordernd, dann wieder einmal ruhiger. Die Kinder schaffen es auf jeden Fall, dass ich voll im hier und jetzt bin und die Dinge sehr bewusst mache. Ein Ritual, das sehr einfach klingt, aber mein Leben verändert hat ist, dass ich jeden Tag mit einem positiven Gedanken starte. Sobald ich aufwache sage ich mir selbst sowas wie „Yes!!! you made it – you are still here“ und bin dankbar für einen weiteren Tag, den ich erleben darf. Danach praktiziere ich Yoga. Mir tut es gut, wenn ich den Tag bewusst, in Ruhe und ohne Stress starte. Es hilft mir auch über den Tag hinweg gelassener zu sein.
Welche Tools helfen dir, zurück in deine Mitte zu finden?
Meine Mitte finde ich durch einen Spaziergang, einen Kaffee mit Freundinnen oder auch durch eine riesen Portion Applecrumble mit Vanilleeis. Je nachdem. Ich versuche aufmerksam zu sein und darauf zu hören, was ich im Moment brauche.
Wofür bist du dankbar?
Ich bin dankbar für sehr vieles. Dafür, dass ich mein Leben mit einem Mann verbringe, der mich jeden Tag zum Lachen und nur ganz selten auf die Palme bringt. Dafür, dass meine Freunde nicht nur lieb, lustig und richtig cool sind, sondern tolle Einstellungen und Werte haben.
Besonders dankbar bin ich dafür, in eine Familie und ein Umfeld geboren worden zu sein, das einen großen Teil des Weges schon für mich geebnet hat. Das war keine Leistung, sondern ein riesengroßes Privileg, das ich heute sehr zu schätzen weiß.
Was bringt dein Herz zum Lachen?
Mein Herz zum Lachen bringen definitv die Kinder, mit denen ich arbeite. Durch die Dinge, die sie sagen oder machen. Jeden Tag aufs Neue. Außerdem schafft es auch ein Abend am Dancefloor mit meinen Freundinnen und weißem Spritzer mein Herz höher schlagen zu lassen. Und ja, auch mein Mann kann ziemlich lustig sein wenn er will!
Wo findest du Inspiration?
Inspiration finde ich meistens in anderen Menschen. Fragen zu stellen ist so etwas wie mein Hobby und ja, es mag sein, dass ich meine Freunde damit manchmal nerve. ABER ich liebe es den Dingen auf den Grund zu gehen und Neues zu erfahren. Ich liebe Gepräche mit Leuten, die ich kenne, aber auch mit Fremden. Ich finde einfach, dass man aus den individuellen Geschichten so viel mitnehmen und lernen kann.
Was würdest du aus heutiger Sicht deinem 15-jährigen Selbst raten?
Ich würde der 15 jährigen Greta raten sich öfter mal „If you want to sing out“ von Cat Stevens anzuhören und sich weniger Sorgen zu machen. Everything is going to be just fine!
Danke, danke, danke, liebste Greta!