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Pamela Russmann Fotografin Wien Frau-Sein Weiblichkeit Interview

Pamela Rußmann – Fotografin und Redakteurin

Erzähl uns ein bisschen über dich. Was machst du beruflich?

Ich bin selbstständig, lebe und arbeite seit 1994 in Wien. Begonnen habe ich als Film- und Literaturredakteurin und Moderatorin bei Radio FM4 (1996), inzwischen arbeite ich als Berufsfotografin an der Schnittstelle zwischen künstlerischer und kommerzieller Fotografie, d.h. ich mache sowohl Auftragsarbeiten als auch freie Projekte (und zeige die Arbeiten in Ausstellungen), und ich bin TV-Redakteurin der wöchentlichen ORF-Latenightshow „Willkommen Österreich“ mit Stermann und Grissemann. Ehrenamtlich engagiere ich mich im feministischen Netzwerk „Sorority“, u.a. kuratiere und moderiere ich den Buchklub „Salon Sorority“, und ich bin Lesepatin an einer öffentlichen Volksschule in Wien. Ich habe eine Ausbildung zur Dipl. Reiki-Therapeutin absolviert, praktiziere aber derzeit nicht.

Wie sieht dein persönlicher Weg aus und wie bist du dorthin gekommen wo du jetzt gerade stehst?

Ich habe sehr viele Haken schlagen müssen – oder vielleicht auch wollen, um nun, mit 43, so zu sein, wie ich mich als Teenager in einer Zukunftsvision gesehen habe. Nun wird es Zeit, wieder eine Vision zu entwickeln, wie ich mit 60 oder 65 leben will. Da bin ich gerade dabei, haha!

Pamela Russmann Fotografin Wien Frau-Sein Weiblichkeit Interview

Wie vereinbarst du dein Unternehmen mit deinem Privatleben/mit deiner Familie?

Ich lebe mit meiner mittlerweile 14jährigen Tochter in Wien und habe so weit es mir möglich war, das unternehmerische Dasein an das Familienleben, so wie ich es mir vorstelle, angepasst. Ich denke, dass es im Laufe des Lebens, nicht nur mit Kindern, aber vor allem wenn man als Frau allein mit Kind(ern) lebt und arbeitet, unterschiedliche Phasen der Entwicklung und davon abhängig der Bedürfnisse gibt. Also es macht einen großen Unterschied im Alltag, ob ich ein zweijähriges Kind in meiner Obhut habe oder ob ich die Verantwortung für einen Teenager trage. Es ist aber auch ein Unterschied, ob ich 22 Jahre alt bin oder ob ich 45 Jahre alt bin, weil sich die körperliche Belastbarkeit, aber auf der anderen Seite auch die Erfahrung und Routine auf einem anderen Level befinden, naturgemäß. Das einzige was fix ist im Leben: dass nichts für immer bleibt, wie es ist. Flexibilität und Stabilität gleichzeitig zu erreichen, das finde ich im Leben wichtig. Ich praktiziere seit bald 20 Jahren Yoga, seit einigen Jahren täglich, und ich bin sehr davon überzeugt, dass dadurch diese beiden Eigenschaften sehr gefördert werden. Also für mich ist es auf jeden Fall so.

 

Was bedeutet Weiblichkeit für dich?

Zum einen ist es ein biologischer Fakt, sozusagen die „Grundausstattung“, mit der ich auf die Welt gekommen bin. Damit bin ich sehr zufrieden. Davon abgeleitet hat der weibliche Körper verschiedenste Eigenheiten, die ich nicht ignorieren kann und will. Dazu gehört z.B. der Zyklus. In erster Linie fühle ich mich als Mensch, als Pamela, als Teil eines großen Ganzen. Im nächsten Schritt sehe ich mich, Pamela, als Frau. Und dann weiter als Mutter, als Tochter, als Freundin, usw.

 

Was bedeutet es für dich eine starke Frau zu sein?

Das ist eine trickreiche Frage. Wer definiert „starke Frau“ und was heißt das übersetzt für ein Frauenleben in Westeuropa im 21. Jahrhundert? Ich bin in meinem Denken und Fühlen und in der Sicht auf die Welt in einer völligen Parität angekommen. Ich definiere mich nicht aus dem Blickwinkel einer männlichen Sichtweise, und aus dieser Perspektive ist, befürchte ich, die Formulierung „starke Frau“ entstanden, weil die Frauen ja gern als „das schwache Geschlecht“ apostrophiert wurden. Diese Erzählung will ich nicht weiterführen. Wir sind alle mal stark, mal schwach, man ist nie nur das eine oder nur das andere.

 

Worin besteht dein Sinn des Lebens? Hast du eine Vision in dieser Welt?

Empathie. Sich in andere hineinversetzen können. Andere Perspektiven einnehmen können als immer nur die eigene. Das ist eine lebenslange Lernaufgabe, die ich grundsätzlich als sinnhaftes Unterfangen sehe und empfehlen kann. Dazu muss man bereit sein, anzustreifen an anderen, an der Welt, und sich nicht komplett zu isolieren in seinem metaphorischen Schrebergarten, was natürlich bequem ist. Aber ich bin gegen Bequemlichkeit.

 

Was war für dich bis jetzt die größte Herausforderung in deinem Leben?

Die größte Herausforderung ist sicher die, für ein Wesen verantwortlich zu sein, das in der „Reihenfolge“ nach dir kommt, aus dir kommt, dich buchstäblich zum Überleben braucht. Und dieses Menschlein dorthin zu führen, dass es selbstständig und eigenverantwortlich seinen Weg gehen kann.

Pamela Russmann Fotografin Wien Frau-Sein Weiblichkeit Interview

Was hilft dir dich immer wieder zu motivieren? Hast du besondere Rituale?

Am allerbesten geht es mir, wenn ich alle 12 Stunden eine kleine Yoga-Einheit mache. Also aufstehen und noch „traumhappert“ die Matte ausrollen, und am Abend vor dem Schlafengehen so richtig dehnen und strecken. Das bringt mir oben erwähnte Stabilität und Flexibilität, sowohl im Körper als auch im Geist. Mein Alltag ist sehr abwechslungsreich und mental fordernd, durch die verschiedensten Jobs und Tätigkeiten, daher achte ich sehr auf eine Grundstruktur, die möglichst einzuhalten ist, und aus der ich dann auch beherzt und gekräftigt ausbrechen kann, wenn mir danach ist.

 

Wie findest du zu dir selbst, zu deiner Mitte? Welche Rolle spielen Yoga und Meditation dabei?

Je älter ich werde, desto mehr suche ich die Nähe zum „Grün“. Das kann ein Spaziergang im Wald sein, oder einfach sitzen und auf was Grünes schauen, wie eine Wiese. Das sind aber auch meine vielen Pflanzen in der Wohnung und am Balkon, ich mag es einfach, mich um sie zu kümmern, den Jahreskreis mitzubekommen. Das Recken in die Sonne, das Aufblühen, im Sommer die höchste Ausdehnung und dann Richtung Winter der Rückzug, das Kleinerwerden. Die Natur ist glaub ich die beste Nervenheilanstalt.

 

Wofür bist du dankbar?

Meine Familie. Und meine Freundinnen. Und dass ich in einem Teil der Welt lebe, in dem ich mich als Frau so entfalten kann, wie es mir gut tut. Da danke ich allen Frauengenerationen vor mir, die sich teilweise mit ihrem Leben dafür eingesetzt haben, dass ich es heute gut habe. Das sollten wir nie vergessen und daran sollten wir weiter arbeiten. Wachsam bleiben. Für Freiheit kämpfen und mit der Freiheit verantwortlich umgehen.

 

Hast du persönliche Erkenntnisse, die du mit uns teilen magst?

Im Kopf erscheinen Dinge oft komplizierter und verzwickter, als sie dann tatsächlich sind.
Wenn man etwas tun will: tun. Weniger zweifeln.
Wenn man Hilfe braucht, Leute ansprechen, denen man vertraut und Unterstützung holen. Jeder mag das Gefühl, gebraucht zu werden.

 

Wer oder was inspiriert dich?

Mit offenen Augen, mit allen Sinnen durch die Welt gehen und neugierig bleiben, nicht starr werden oder stehenbleiben, das hat sich als beste Investition erwiesen in meinem Leben.

 

Danke für deine offenen Worte und dieses schöne Interview, liebe Pamela!

 

pamelarussmann.at
instagram.com/pamelarussmann